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A review of recent philosophical literature on metaphors, in German

 

Zbirna recenzija novije filozofske literature o metaforama i modelima

 

 

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Zeitschrift für philosophische Forschung

53 (1999), 1,

S. 131-139

 

 

 

 

Der Abgesang der Metapher?

Eine Übersicht der neueren philosophischen Metaphern- und Modellforschung

 

Jaakko Hintikka (ed.): Aspects of Metaphor, 269 S., Dordrecht: Kluwer Academic Publishers, 1994.

Zdravko Radman (ed.): From a Metaphorical Point of View. A Multi­disciplinary Approach to the Cognitive Content of Metaphor,  460 S., Berlin-New York: Walter de Gruyter 1995 (Philosophy und Wissenschaft Bd. 7).

Hans Julius Schneider (Hrsg.): Metapher, Kognition, Künstliche In­telli­genz, 242 S., München: Wilhelm Fink Verlag, 1996 (Erlanger Beiträge zur Wis­senschaftsforschung).

Bernhard Debatin: Die Rationalität der Metapher: Eine sprachphiloso­phi­sche und kommunikationstheoretische Untersuchung, 381 S., Berlin-New York: Walter de Gruyter, Grundlagen der Kommunikation und Ko­gnition, 1995 (zugleich: Berlin, Techn. Univ., Dissertation, 1994).

Die Metaphernforschung in Diskursen wie Philoso­phie und Wissenschaftstheo­rie wächst seit den Achtzigerjahren unaufhaltsam an, dabei verlagert und speziali­siert sich das Interesse von einer Tropologie des Denkstils zu­nehmend auf Gebrauch von Modellen in der Forschung hin. Dieser Trend erweckt den Eindruck, daß die metaphorologischen Forschungen in den letzten vierzig Jahren, seit Max Blacks einschlägigem Essay aus 1959, ihr Ziel nun enger zu fassen neigen. Ein durch die analytische Philosophie bewirkter Fortschritt zeigt sich dabei darin, daß den Meta­phern überhaupt eine Ratio­nalitätsstruktur nachgewiesen werden konnte, die für jegliche kognitive Aufwertung von Sprache unentbehrlich ist. Dies hatte zur Folge, daß auch die Funktions­weise der literalen Sprache selbst von der intentionalistischen Semantik in ein eher kontextualistisches Licht gerückt wurde. Diese Erschütterung des Literalitätsprimats stellt eine gemeinsame Basis und, strategisch gese­hen, eine methodologische realistische Mitte in der gegenwärtigen Me­taphernforschung dar. Gleichwohl ist zu beobachten, daß verschiedene Forscher diesem Befund gegenüber entweder Vorsicht üben oder aber, mit einer weit optimistischeren Attitüde, über einen "kognitiven Zugang" hinaus fundamentalere Qualitäten von Metaphern wie Innovativität und Poetizität verlangen. So ungefähr verteilen sich die Positionen in einigen rezenten Beiträgen dar, die Anlaß für den folgenden Überblick geben.

1.

Der ursprünglich als Spezialnummer der Zeitschrift Synthese geplante Sammelband von Hintikka umfaßt Beiträge, deren "Metaphernfreund­lichkeit" (ein Ausdruck M. Blacks) von kritisch bis realistisch-konstruk­tiv reicht. Die Ansätze der jeweiligen Metapherntheorien, so Hintikkas vielleicht etwas zu vorsichtiges Urteil im Vorwort, seien trotz einiger gemeinsamer systematischer Punkte noch zu divergent, als daß eine Synthese sinnvoll angestrebt werden könnte. Eine solche sei auf kon­struktivem und nicht polemischem Wege zu suchen. Einige Beiträge behan­deln den generellen Status von Metaphern in Phi­losophie und Wis­senschaftsgeschichte (S. Haack, vgl. unten) oder solche traditionsträchtigen systematischen Fragestellungen wie das vieldisku­tierte Verhältnis zwischen Metaphern und Gleichnis­sen (hierzu der selbstberichtigende, aber polemische Beitrag von R. Fogelin, Metaphors, Similes and Similarity, 23-39), das keineswegs als ausdiskutiert gelten kann. Oder es werden Probleme wie Identifikation, Verstehen und Anwendung von Metaphern in nichtver­balen Bereichen behandelt (N. Carrol, Visual Metaphor, 189-218; A. Margalit-N. Goldblum, Metaphors in an Open-Class Test, 219-241) sowie metaphilo­sophische Fragestellungen (E. M. Zemach, Metaphors and Ways of Life, 243-254). Die zwei umfangreichsten Beiträge von Steinhart/Kittay und Indurkhya gehen zwar jeweils in wesentlichen Punkten auf grössere Metaphernstu­dien zurück, bieten jedoch eine ebenso pointiertere wie direktere Dar­stellung ihrer jeweiligen Position dar. Sie ergänzen sich im übrigen ge­genseitig in einem wesentlichen generellen Aspekt: Ei­nerseits liefern Kittay und Steinhart in ihrem aus der Per­spektive der Metaphernpro­duktion geschriebenen Aufsatz, Generating Metaphors from Networks: A Formal Interpretation of the Semantic Field Theory of Metaphor (41-94), eine in dieser Form m. W. von kei­nem anderen Autor geleistete Anwendung der Wortfeldsemantik auf die Matapherproblematik, aller­dings mit einem etwas verkürzt geratenen Resultat des sog. "epistemic access through metaphors". Andererseits unterbreitet Indurkhya von einem umgekehrten Ansatz her (Meta­phor as Change of Representa­tion: An Interaction Theory of Cognition and Metaphor, 151-190) eine auf die Epistemologie Cassirers und Pia­gets aufbauende Darstellung ko­gnitiver Prozeduren, aus denen unsere Erkenntnisleistungen erfolgen und die für unsere metaphorische Sprechweise verantwortlich sein sol­len. Diese sei Ausdruck der Verän­de­rung von Repräsentationsweisen kognitiver Gehalte, die als solche al­ler Sprachverwendung, so auch der metaphorischen, vorausgingen. In­durkhya gelingt es wie kaum einem anderen Autor, Lösungen einiger grundlegender Probleme der Interak­tionstheo­rie anzubieten, zu denen an erster Stelle die Fragwürdigkeit der "Neuheit" der durch Metaphern induzierten Ähnlichkeiten zwischen Relaten zählt. Eine Metapher gelte nur dann als nicht trivial, wenn die metaphorisch vermittelte Ähnlich­keit zwischen Relaten als absolut neu — d.h. nicht-vorgegeben — ausge­wiesen werden könne und wenn sie (dies gegen Black!) nicht reziprok von den Relaten untereinander prädi­zierbar ist. Damit scheint ein nicht wieder­zuverlierendes epistemologisches Kriterium für die sogenannten "strong metaphors" gewonnen zu sein, für das der Autor allerdings keine semiotische Entspre­chung gibt. Danach scheint die Meta­phorizität in erster Linie mentalen Ko­gnitionsprozessen zuzukommom und von da her auf die sprachliche Ebene projektiv abgebildet zu werden. In die­ser Hinsicht nähert sich Indurkhya methodologisch dem berühmten Meta­phern-Buch von G. Lakoff und M. John­son, obwohl er Lakoffs er­kenntnis­theoretische Position kritisch ablehnt. Entsprechend versteht er den "Wechsel der Repräsentation" nur als Folge und nicht auch als Faktor der Kognition. Am Ende ihres Aufsatzes ’Dry Truth and Real Knowledge’: Epistemologies of Metaphor and Metaphors of Epistemology (1-22), in dem einige Locke und Hume entnommene Beispiele von Inkonsistenz zwischen Meta­pherntheorien und Sprachpraktiken in der Philosophiegeschichte kom­mentiert werden, entwickelt S. Haack ein "internes Dialogmodell" des Testverfahrens in der Forschung (Hypothese-Einwand-Kor­rektur) und findet es in der impliziten Vergleichsstruktur von Meta­phern realisiert (vgl. 115). Daß dieses ideell-dialogische Explikations­modell auf einer Analo­gieannahme zwischen Forschungsverfahren und interpersonalem Dialog sowie auf einer vorgängigen Übereinkunft zwischen Sprecher und Hörer beruht, wirkt nicht unmittelbar erhellend für die Funktions­weise von Relaten in metaphorischen Aussagen. Die Dialogannahme als Explikati­onsmodell für Metaphern vermag nicht nur deshalb zu wenig zu erklären, weil sie einen idealen Dialog als Modell anvisiert, sondern weil die metaphorischen Relate, weit davon entfernt, miteinander zu sprechen, in einem asymmetrischen (irreziproken) Prädikationsverhältnis stehen, wie u. a. auch Indurkhya ge­gen Max Black plausibel nachgewie­sen hat. An Metaphern als "especially intriguing concept in the theory of lexical meaning" ver­suchen Hintikka und Sandu (Metaphor and Other Kinds of Nonliteral Meaning, 151-187) ein Paradox der Mögliche-Welten-Se­mantik (MWS) zu beheben und gegen die These zu argumentie­ren, daß ein metaphorischer Ausdruck letztendlich nur eine, nämlich literale Be­deutug habe (so explizit gegen D. Davidson, 154f.). Einen Ausweg hieraus biete die sog. Bedeutungslinie an, mit deren Hilfe in MWS die Verbin­dung von sprachlichen Ausdrücken und Klassen von Individuen in den jeweiligen möglichen Welten hergestellt wird, zu denen der Ausdruck in diesen Welten korrekt appliziert werde. Diese "meaningline", könne von allen Typen von Aus­drücken (logischen wie nichtlogischen) nachge­zeichnet werden, und zwar mindestens auf zwei Wegen der für sie cha­rakteristischen "Queridentifikationen": durch Kontinuität (bzw. Kontigui­tät) und durch Similarität. Aufgrund dieser Darstellung, die letztendlich R. Jakobsons Zwei-Achsen-Theorie der Sprache evoziert (so explizit 184), plädieren die Autoren über die übliche Unterschei­dung von Tropen (Metaphern, Metonymien, Gleichnisse) hinaus auch dafür, daß der Vorzug den Metonymien und nicht den Metaphern gegeben werde, da sich die erste­ren den Queridentifikationen aufgrund von Kontiguität (oder ande­ren Arten räumlich-zeitlicher Verursachung) verdanken und dadurch ratio­nal besser nachvollziehbar und für den wissenschaftlichen Dis­kurs ge­eigneter ausfallen (ebd.). Nun könnte der Hauptvorteil ei­ner Mögliche-Welten-Seman­tik in bezug auf die Metaphernthematik darin liegen, daß sie keine neuen Bedeutungsentitäten zu po­stulieren braucht; statt des­sen enthalte sie "an analysis of how we constitute (individuate, identify, re-identify) the individuals we actually speak of" (152). Demzufolge tun wir dies so, daß die aktuelle Extension in ande­ren möglichen Welten wieder identi­fiziert werde, ohne daß dadurch die lexi­kalische Bedeutung beein­trächtigt werde; vielmehr sei diese in bezug auf mögliche Welten invariant. Das Argument läßt jedoch folgende Schwie­rigkeit erkennen: Obwohl die In­dividuenklassen nicht in allen möglichen Welten identisch sein müssen, und eine Wiederidentifikation der aktuel­len Extension ei­gentlich nur dann für die Thematik der Metaphern nicht trivial sein kann, wenn die Indivi­duenklassen nicht identisch sind, ergibt sich als unüber­windliche Schwierigkeit für einen MWS-Zugang zu Metaphern, daß die metaphori­sche, d.h. entweder auf Kontiguität- oder Similarität basierende Identi­fikation der lexikalischen Bedeutung als neu gelten soll, sie selbst dabei jedoch immer literale Applikation des Prädikats sein muß. Also müssen die in der aktuellen Welt als metaphorisch gel­tenden Prädikationen in anderen möglichen Welten als literale Applika­tionen des Prädikats gel­ten. Genau das ergibt wenig Sinn: weil nämlich die Applikation eines Prädikats wie ‘(ist ein) Löwe’ in der MWS immer nur literal ist, kann bei dieser Bedingung die "Identifikation der Exten­sion", also die Basis­proze­dur der MWS, ihrerseits selbst nur einen metaphori­schen Status haben. Denn was wir dabei tun, ist nicht, die aktuale Ex­tension zu identifizieren (so die Autoren), son­dern sie zu übertragen: in der Welt, in der die metaphorische Übertragung eigentlich stattfindet, ist die Extension Mensch keine Extension von ’Löwe’. Die MSW-Semantik führt zwar keine neuen semantischen Entitä­ten (wie etwa Löwenmenschen oder Mensch-Löwen) ein, vermag aber die proklamierte metaphorische Bedeutung eines lexi­kalischen Ausdrucks nicht anders zu erklären, als sie in eine literale (d.h. "Extension identifizierende") Termapplikation umzufunktionalisie­ren, was seinerseits eine Verwörtlichungswirkung auf die Metaphern nach sich zu ziehen scheint.

2.

Der umfangreiche, betont "metaphernfreundlicher" Sammelband von Z. Radman enthält u. a. Beiträge einiger namhafter Autoren, deren philoso­phischer Hauptverdienst gerade im Bereich der Metaphernforschung liegt (M. Hesse, E. Kittay, C. Elgin, E. MacCormac, F. Rigotti u.a.). Der Band ist nach fünf thematischen Bereichen organisiert (philosophie-historisch, seman­tisch, kognitions- und wissenschafts-theoretisch, einzelwissen­schaftlich), doch die vertretenen Beiträge weisen trotz vieler interessan­ter Detail­analysen historischen (so Ch. Schildknecht zu wissenschaftli­chen Me­thode und literarischer Form bei R. Bacon, 27-50, J. M. Gonsález García über einige Metaphern Goethes bei Max Weber, 391-418), theo­rie-ge­schichtlichen (T. Otabe über die Metapherntheorien in der deut­schen Aufklärungsphilosophie, 7-25), kognitionswissenschaftlichen (E. R. Mac­Cormac über neuronale Prozessse in den sog. "kreativen Metaphern", 149-164) theologischen oder sozialtheoretischen Charakters (E. Mc­Mullin über theologische Motive für Metaphern, 375-390) vielerlei Wie­derholungen auf, die einer charakteristischen Ab-ovo-Attitüde einzelner Autoren zu verdanken sind. Der Preis des "konstruktivistischen" Wie­deranfangs gegenüber einem polemisch-kritischen Zugang (so etwa Hin­tikkas Forderung, s. oben) zeigt sich hier darin, daß der Faden der weltweit geführten Diskussion, die noch durch den von A. Ortony 1979 herausgegebenen Sammelband Metaphor and Thought (2., erw. Aufl. 1993), maßgeblich gestaltet wurde, verloren zu gehen droht. Dies läßt sich von einigen Beiträgen des dritten ("A Cognitive Science Per­spective") und vierten Teils ("A Philosophy of Science Perspective") sa­gen, die nichtsdestoweniger einen beträchtlichen informativen Wert besit­zen, insbesondere sofern sie theoretisch in die modellorientierte wissen­schaftliche Forschungsprozedur Einsicht gewähren. Dieser Sammelband läßt wie kein anderer eindeutig erkennen, daß die Modellproblematik die gegenwärtige metaphorologische Forschung im Dis­kurs der Wissenschaftstheorie endgültig (und vielleicht unwiederbring­lich) beherrscht und die philosophische Sichtweise maßgeblich be­stimmt. Der zweite Teil ("A Semantik Perspective") enthält u.a. zwei kritische Beiträge zu Davidsons negativer Metapherntheorie, die jeweils auf frü­here Studien ihrer Autorinnen zurückgehen. In ihrem Beitrag Metaphor and Reference, 53-72, versucht C. Elgin nachzuweisen, daß Davidsons Argument, auf der wahrheitskriteriellen Satzsemantik beruhend, daß alle positiven metaphorischen Aussagen notwendig falsch und alle ne­gativen trivialerweise wahr seien, auf viel zu unspezifischen (rein for­malen) Wahrheitskriterien gründet, als daß diese nicht auch auf meta­phorische Sätze selbst angewendet werden könnten. Sie argumentiert dafür, daß die Wahrheitsbedingung angebende Satzform implizit einen metasprachlichen Indikator enthalten solle (vgl. ‘S’ ist /literalerweise/ wahr, wenn und nur wenn p /literalerweise/ wahr ist), der sich durch den entsprechenden metasprachlichen Indika­tor für metaphorische Sätze /metaphorisch wahr/ ersetzen lasse; zwar sei der Gewinn für eine positive Metapherntheorie auf diesem Wege ge­ring, dafür reiche aber Davidsons Argument nicht länger aus, um eine strikte Semantik der Metapher auszuschließen; sie lasse sich vielmehr mit demselben bedeutungstheoretischen Instrumentarium bekräftigen. Über diese inklusionistische Davidson-Kritik hinaus, ja sogar im Unter­schied zu ihrer früheren definitiven Ablehnung von Davidsons Kritik, sucht E. F. Kittay von einem revidierten Ansatz her (vgl. Metaphor as Rearrangig the Furniture of the Mind: A Reply to Donald Davidson’s “What Metaphors Mean”, 73-116) diejenigen Elemente von Davidsons Bedeutungstheorie in den Vordergund zu rücken, die für Metaphern als Phänomene der natürlichen Sprache (bzw. der Rede) fördernd sind; diese seien vor allem in den Indexikalen (für den Sprecher, für die Zeit, für den Raum) zu sehen. Die Einlösung dieser Integrationsversuche von Davidsons Kritik in eine Metaphernsemantik stricto sensu steht allerdings noch aus, denn es hat sich — nicht zuletzt dank Kittays Arbeiten — gezeigt, daß eine Semantik der Metaphern nur um den Preis einer weitreichenden Aufweichung des Begriffes der sprachlichen Bedeutung möglich ist. Wenn Davidsons re­duktionistisches Postulat, keine metaphorische Bedeutung neben der lite­ralen Bedeutung des betreffenden Ausdrucks zuzulassen, lähmend auf alle metaphernsemantische Analysen wirkt, so zieht die radikale Kontex­tualisierung der sprachlichen Bedeutung (etwa "alle Bedeutung, literale wie metaphorische, sei kontextuell bedingt") nach sich, daß auch das ei­gentlich Interessante an jeder gelungenen Metapher — nämlich die Pa­radoxie, daß "impertinente Prädikation" (Ricoeur) Ver­ständigung und Erkenntnis fördert und Einverständnis findet — in der Entropie einer Alles-Metaphern-Sprache endet. So erscheint Davidsons Kritik in einem Punkt berechtigt, und darin weist sie zurück auf die an­scheinend nicht hintergehbaren Anfänge der Metapherntheorie bei Ari­stoteles: Metaphern sind, sei es Einzelwörter oder Sätze, per definitio­nem von den als literal fixierten Bedeutungen einer Sprache abhängig. Daher sind sie — soweit sie ein linguistisches Phänomen sind — in erster Linie ein Phänomen des Sprachgebrauchs, und eine jede Metaphernse­mantik kann nicht, wenn sie möglich sein will, mit der Semantik litera­ler Ausdrücke zusammenfallen, so sehr die Metaphern grammatikalisch die Struktur ihrer literalen Pendants wiedergeben.

3.

Der im Vergleich zu anderen Büchern produktionstechnisch eher be­scheiden ausfallender Sammelband von H. J. Schneider hat auf der Titel­seite einen zunächst unsichtbaren Druckfehler (Methapher statt Meta­pher), doch angesichts der allgemein anschwellenden Metaphernliteratur nimmt sich diese harmlose Vermehrung von Buchstaben symptomatisch aus. Die ersten vier Bei­träge (von H. J. Schneider, Ch. Schildknecht, M. Proft und B. Debatin) be­ziehen sich auf im engeren Sinne metapherntheore­tisch relevante Aspekte; sie streben Klärungen von Bedingungen, Reich­weite und Inter­pretatierbarkeit metaphorischer Sprachfunktionen an (so speziell die Frage der sprachlichen Kompetenz, der nicht-propositio­nalen Gehalte, der Paraphrasierbarkeit und Kontrollierbarkeit). Die übri­gen fünf Bei­träge (von H. Tetens: Algorithmen und menschliches Verhal­ten, R. Haus­ser: Zur Modellierung der Metapher in der KI, Z. Radman: Künstliche In­telligenz und natürlicher Leib. Über die Grenzen der Ab­straktion am Beispiel der Metapher, W. Zitterbarth: Müssen nicht-me­chanistische Theorien der Kognition magisch sein? und S. Wolf: Meta­pher und Kogni­tion. Computermodelle des menschlichen Geistes) zielen teilweise kriti­scher als im oben genannten Sammelband auf die Frage der Einsetzbar­keit von Metaphern im Sonderbereich der künstlichen Intelligenz und computer­bezogenen Kognitionsforschung. Zwei Beiträge jüngerer Autoren (Proft und Wolf) setzen sich mit den von ihnen anvisierten Aspekten von Metaphern in Sprache und Kognition weitaus direkter auseinander als die übrigen Beiträge, die, indem sie Darlegungen von nicht-metaphorischen Funktionsweisen in Spra­che und Kognition unterbreiten, weitgehend tentativ neue Perspektiven und analogische Schlußfolgerungen über die Funktionsweise von Metaphern an die Hand geben, so vor allem die Beiträge von Schneider, Tetens, Zitterbarth, teilw. Hausser. Insbesondere instruktiv und anre­gend ist R. Haussers (115-153) auf die sogenannte Basismodellhypo­these zuge­schnittene Darstellung der Kommunikation und deren An­wendung auf Interpretation und Realisierung uneigentlicher Wortver­wendung durch Roboter: Der Verständigungserfolg verdanke sich dem Um­stand, daß "die prinzipielle Trennung von wörtlicher Bedeutung der Zei­chen und den kontextuellen Referenzstrukturen den wört­lichen (oder direkten) Gebrauch zu einem Spezialfall (reduziert), bei dem Bedeu­tungskonzept und Referenzobjekt sich ungewöhnlich ähnlich sind" (162). Bei indirektem Gebrauch komme hinzu, daß das Fehlen von Objekten, die eine Standardinterpretation zulassen würden, die übertra­gene (metaphorische) Referenz nahelege (ebd.). Daß diese geradezu provo­kante Reduktion des Kommunikationsmodells etwas Wesentliches für das Metaphernverständnis und die perlokutiven Effekte aufdeckt, wird auch durch anderweitig erhobene Befunde über die Konstitution meta­phori­scher Kognitionsprozesse bestätigt (vgl. oben zu Indurkya). Aller­dings versucht Z. Radman (165-183) die Reichweite solcher KI-reduk­tionistischen Metaphernerklärungen kritisch einzuschränken. Am Bei­spiel der "Verkörperungsmetapher" (der Intellekt als in-korporiert im Leib, Bedeutungen als ver-körpert im Ausdruck) verknüpft er einige wichtige Erkenntnisse der Metaphernforschung (so das Prinzip der Nichtwillkür­lichkeit) mit der kritischen Erkenntnis anhand der KI-For­schung, daß "niedere" Stufen der Intelligenz nicht durch die Computer­technologie simulierbar seien. Ein solcher Zugang ergibt eine Position, die eine Ver­wandschaft zwischen heutigen Leib-orientierten Theorien der Erkennt­nisprozesse und Nietzsches Unterscheidung von "großer" und "kleiner Vernunft" sowie seinem "Leibperspektivismus" erkennen läßt; dabei wird aber Nietzsches Irrationalitätdsdiagnose für die Sprache (einschließlich der Metaphern) wissenschaftstheoretisch, unter Berufung auf das probabilistische "Als-Ob-Prinzip" kritisch überwunden (179). Die Tatsache, daß der Nihilismus seinen Platz an den wissenschaftstheoreti­schen Konstruktivismus dank einer positiven Verwertung von Nietz­sches perspektivischem Denken abgetreten hat, läßt sich am besten an diesem Dogma-ähnlichen Grundsatz des Als-Ob der neueren Wissen­schaftstheorie ersehen, den der Autor in einen anthropologischen Grundsatz umformuliert: "Der Mensch ist ein metaphorisches Tier" (183). Der Aufsatz Metaphorik und sogenannte Paraphrasen (53-81) von Ma­thias Proft steht mit einer D. Davidson folgenden antisemantizisti­schen Haltung abseits vom metapherngläubigen Mainstream. Von einer viel­schichti­gen Analyse des Komparatisten- und Interaktionisten-Streites über den Grundsatz der Un-Paraphrasierbarkeit von Metaphern ausge­hend, die sehr erhellend auf explizite Annahmen und implizite Konse­quenzen die­ser Position eingeht, plädiert Proft dafür, die Rahmenbedin­gungen für eine Metapherntheorie anzugeben, "unter denen wir aufhö­ren können, vom eigenständigen kognitiven Gehalt einer Metapher zu sprechen, und zugleich hoffen können, einen ähnlichen Erklärungseffekt zu erzielen, wie er von Theorien ’metaphorischer Bedeutung’ erreicht wird" (69). Bei dieser schwierigen Aufgabe erfahren jedoch einige lin­guistische, die Kurzschlüsse von Black (hierzu insb. 61f.) auflö­sende Weiterführungen der interaktionistischen Metapherntheorie, wie die von E. F. Kittay oder Indurkya, leider keine Würdigung. Während diese Positionen gleicherweise wie Proft auf die pragmatisch-theoretischen Ansätze von Grice aufbauen (hierzu 66ff.), dabei jedoch zeigen, daß eine Semantik stricto sensu für die Erklärung von Metaphern unentbehrlich ist, orientiert sich Proft in der Hauptsache an Faktoren, die Identifikation und Interpretation von Metaphern fördern (70), jedoch weitgehend als gelöste Probleme gelten. Sie wer­den zu­dem bei Proft durch den Rückgriff auf pragmatische Verständigungsprinzipien erläu­tert, die ebenso von literaler wie metaphorischer Sprachverwen­dung gelten. Mit anderen Worten, wir können zwar Metaphern (miß-) identi­fizieren und (fehl-) interpretieren und wir sind imstande, die Gründe dafür auszumachen, ohne nach eigenständigen semantischen Entitäten in der Sprache greifen zu müssen. Nun leisten wir dadurch aber nur einen "Er­klärungseffekt", der für die Funktionsweise von Modellen — und das heißt: für literale Ver­gleichsprozeduren — und nicht für Metaphern aus­reicht. Damit fällt man zweifelsohne hinter die schwie­rigere Aufgabe zu­rück, den geahnten irreduziblen Informationsgehalt von me­taphorischen Prädikationen gegenüber Vergleichen auszumachen und zu erklären. Ein Mangel, der sich in der gegenwärtigen metaphorologischen Literatur zwischenzeitlich fest etabliert hat.

4.

Das Buch Bernhard Debatins stellt eine Ausnahme in der rezenten, kognitionstheoretisch orientierten Meta­phernliteratur dar. In der Folge Ricoeurs sowie einiger jün­gerer deutscher und amerikanischer Autoren aus den Achtzigerjah­ren ist er nachdrücklich darum bemüht ist, eine umfassende philosophische Metapherntheorie zu entwerfen, und dies auf der Grundlage der Theorie des kommunikativen Handelns. Da es aber in der Hauptsache auf Selektion, Kritik und Rekombination bereits kursieren­der Einsichten basiert, ist das Hauptresultat der Studie entsprechend wenig aufregend und angesichts der The­matik unspezifisch ausgefallen: die Metaphern können nicht länger als irrational gelten, ihnen sei der Status des "rationa­len Vorgriffs" (einer Erkenntnisantizipation) so­wie eine Reflexivitätsstruktur zueigen (vgl. insb. II 1), die ihrerseits eine Metaphernkontrolle möglich mache und die Metaphern als genuine Ver­ständigungsformen erscheinen lasse (insb. II 5). Der wirklich anregende letztgenannte Punkt geht in der Studie unglück­licherweise unversehens verloren. Eine unreflektiert gebliebene Vertau­schung innersprachlicher Metaphorik mit der "prinzipiellen Metapho­rizi­tät der Sprache" wirkt sich in der Studie so aus, daß die für die Meta­phern reklamierte Rationalität in einer ihnen selbst immer schon ent­wendeten Gestalt vorkommt: die Metaphern gründen zwar, wie Debatin richtig annimmt (insb. II 1.3), auf einem durch "paradoxe Prädikation" realisierten Angemessenheitsprinzip und weisen eine metasprachliche Dimension auf, die über sich hinaus auf eine kontextuell gestaltete Re­flexivitätsstruktur hinweise. Doch dabei ist einschränkend zu berücksichtigen, daß sowohl die angesprochene (und nicht eigens analysierte!) metasprachli­che Dimension wie auch die auf ihr basierende refle­xive Struktur von Metaphern nur implizit sind und nicht vorab auf der Grundlage einer generellen Metaphorizitäts- bzw. Kontextualitätsannahme von Sprache als geklärt und verstanden gelten können. So kommt die beanspruchte "Rationalitätsstruktur" nur Kontexten zu, aus denen heraus die Metaphern jeweils interpre­tiert werden, bzw. den Interpretationsprozeduren von Metaphern, und nicht ihrem spezifischen sprachlich-logischen Aufbau. Mehr versprechend und der spezifischen Metaphernproblematik näher kommend ist Debatins Studie dort, wo von der gegenwärtig domi­nierenden Thematik der Modellfunktion von Metaphern gehandelt wird (vgl. insbes. II 2.1). Debatin bemüht sich nämlich — und dies sehr zu Recht — um eine Unterschei­dung zwischen Modellen und Metaphern: Metaphern seien implizite Modelle, diese wiederum explizit gewordene (d.h. interpretierte) Meta­phern, doch im Prozeß der Modellwerdung gin­gen sie in Modellen nicht völlig auf ("sterben nicht ab"); vielmehr blie­ben sie als sog. "konstitu­tive" bzw. "generative" Kernmetapher erhalten, indem sie einen Bündel an metaphorisch gebildeten Hypothesen hervor­brächten, die ihrerseits den zu explorierenden Bereich bzw. Gegenstand metaphorisch erschlößen (II 2.2). Damit ist in der Tat ein zentraler Nerv der metaphorologischen Proble­matik aufgegriffen, doch diese von Debatin anderweitig entlehnte Unter­scheidung zwischen Metaphern und Modellen scheint in der Studie ihre explika­tive Leistungsfähigkeit dadurch einzubüßen, daß sie einerseits stillschweigend und unreflektiert einen kontinu­ierlichen Übergang von Metaphern zu Modellen voraussetzt und anderer­seits den aus der sog. Kernmetapher generierten Bündel von Hypothesen selbst wieder als "weitere Metaphern" ansieht. Dies scheint aber nur um den Preis möglich, daß der rationale Diskurs, auf Wahrheitsanspruch basie­rend, seinerseits zu einem zwar kohähenten, aber allegorieähnlichen Metaphernsystem wird. (Diese Konsequenz scheint übrigens für Platons bewußt limitierten Gebrauch von "Gleichnissen" bestimmend gewesen zu sein). Nähere Überprüfungen von Voraussetzungen und Implikationen einer derart folgenträchtigen Annahme wie derjenigen über die "generative Natur der theoriekon­stitutiven Metaphern" fehlen in dieser eher extensiv darstellend als intensiv problematisierend geführten Studie.

 


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